- Physiknobelpreis 1946: Percy Williams Bridgman
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Der Amerikaner wurde geehrt für die Erfindung eines Apparats zur Erzeugung extrem hoher Drücke und für seine Verdienste in der Hochdruckphysik.Percy Williams Bridgman, * Cambridge (Massachusetts) 21. 4. 1882, ✝ Randolph (New Hampshire) 20. 8. 1961; 1919-26 Assistenzprofessor für Physik an der Harvard University, Cambridge, 1926-50 dort Professor für Mathematik und Naturphilosophie, 1961 Freitod wegen einer Krebserkrankung; Bridgman begründete die philosophische Denkrichtung des Operationismus.Würdigung der preisgekrönten LeistungUm 1880 gelang es, Drücke von 3000 kg/cm2 aufzubauen. Bridgman steigerte den Rekord der Hochdruckphysik 1905 auf das Vierfache. 1934 gelang es ihm unter Einsatz sehr harter Werkstoffe 100 000 kg/cm2 Druck zu erzeugen. Für diese Leistung und die daraus resultierenden Entdeckungen wurde ihm der Nobelpreis zugesprochen.Die frühesten bekannten Versuche, das Verhalten von Materie unter sehr hohem Druck zu studieren, stammen aus dem 17. Jahrhundert. Der englische Naturforscher Sir Robert Boyle untersuchte bereits die Kompressibilität von Gasen. Systematische Analysen begannen erst ein Jahrhundert später. 1861 bemerkte der irische Physiker Thomas Andrews, dass unter Druck stehende Gase erst bei der so genannten kritischen Temperatur flüssig werden. Durch diese Entdeckung setzte eine intensive Erforschung des Phänomens ein. Die beiden französischen Physiker Jean Paul Cailletet und vor allem Émile Hilaire Amagat verbesserten die Technik und waren die Ersten, die die erzielten hohen Drücke auch messen konnten. Amagat schaffte es, einen Druck von 3000 kg/cm2 aufzubauen. Zahlreiche Forscher versuchten erfolglos, diesen Rekord zu brechen.Hochdruckphysik mit WolframkarbidstempelnBegrenzender Faktor bei der Erzeugung sehr hoher Drücke war das Dichtungsmaterial. Entsprechende Versuche scheiterten regelmäßig an der entweichenden Druckflüssigkeit durch undicht gewordene Dichtungen. 1905 studierte Bridgman optische Phänomene unter dem Einfluss hohen Drucks. Während eines Experiments explodierte sein gläserner Apparat und er musste einen Teil davon ersetzen. Bridgman konstruierte eine neue Dichtung, bei der sich die Dichtungsstücke mit zunehmendem Kammerdruck von selbst immer kräftiger gegen die Unterlage pressten. Zu seiner eigenen Überraschung hielt seine Konstruktion wesentlich höheren Drücken stand. Er stellte fest, dass die Höhe des Drucks nicht mehr wie bei Amagat von Undichtigkeiten, sondern nur noch von der Stärke und der Art des Materials der Druckkammer abhing.Seine ersten Rekordversuche führten gleich zu Drücken von 12 000 kg/cm2. Weitere Versuche stellte der Forscher zugunsten eines systematischen Vorgehens zurück. Er verbesserte zunächst die Konstruktion der Druckkammern, suchte nach geeigneteren Materialien und nach Methoden, den Druck exakt zu messen. Er konstruierte eine hydraulische Presse mit zwei kommunizierenden Kammern, die er mit einer hydraulischen Flüssigkeit füllte. In der druckgebenden Kammer wird der Druck mit beweglichen Stempeln aufgebaut und über einen Verbindungskanal auf die Experimentierkammer übertragen. Die Konstruktion der Experimentierkammer hängt von den jeweiligen experimentellen Erfordernissen ab.Um extreme Drücke zu erreichen, entwarf Bridgman doppelwandige Kammern. Die innere Druckkammer mit einer konischen Oberfläche wurde in die äußere eingepasst, die nach außen zylindrisch abschloss. So konnte er einen Gegendruck auf die innere Kammer aufbauen, um diese zu entlasten.Der Druck wurde über Stempel von zwei entgegengesetzten Seiten auf die Proben in einem zylindrischen Kanal dazwischen aufgebaut. Als Material setzte er das extrem harte Wolframkarbid ein. Mit dieser Konstruktion erzielte Bridgman Drücke bis zu 100 000 kg/cm2.Er experimentierte lange an der optimalen Auslegung seiner Presse. Die besten Ergebnisse erzielte er schließlich 1934 mit Wolframkarbidstempeln mit einem Durchmesser von nur drei Millimetern. Die geringe Größe erwies sich als optimal für die Dichtigkeit, da sich der Druckraum trotz des sehr harten Wolframkarbids unter den extremen Bedingungen ein wenig ausdehnte. Dem entsprechend konnte er auch nur sehr kleine Materialproben verwenden. Bridgman erreichte mit seiner Anordnung in der Spitze einen Druck von 425 000 kg/cm2.Entdecker des schwarzen PhosphorsZiel seiner Forschungen war es nicht primär, immer höhere Drücke zu erzielen. Bridgman nutzte seine Erfindung konsequent zur Untersuchung der veränderten Eigenschaften der zusammengepressten Proben. Vor allem diese Arbeiten trugen zu seinem Ruhm bei.Der äußerst vielseitige Physiker hatte sich intensiv mit den Eigenschaften der Kristalle befasst. Unter anderem entwickelte er ein nach ihm benanntes Kristallzüchtungsverfahren. Diese Erfahrungen nutzte er bei der Analyse seiner Proben. So entdeckte er den schwarzen Phosphor, die dritte stabile Modifikation des Elements, die unter hohem Druck aus weißem Phosphor entsteht. In seiner weißen Form bildet der Phosphor tetraedrische P4-Moleküle aus; als schwarzer Phosphor besteht er aus einem Schichtengitter, das aus Sechserringen zusammengesetzt ist. Anders als bei Graphit sind diese Ringe aber nicht eben, sondern wellenförmig.Zahlreiche weitere Modifikationen ganz unterschiedlicher Stoffe zählen zu seinen Entdeckungen. Neben vielen anderen untersuchte er die Eigenschaften des Wassers. Es gelang ihm, gewöhnliches (H2O) und schweres (D2O) Wasser unter hohem Druck bei Zimmertemperatur in fester Form darzustellen. Sieben Modifikationen des Eises fand er, von denen nur eine die Unregelmäßigkeit zeigt, dass mit wachsendem Druck die Temperatur des Schmelzpunkts sinkt. Was ihm nicht gelang, war die Umwandlung der Kohlenstoffmodifikation Graphit in die des tetraedrischen Diamanten.Mit steigendem Druck wächst im Allgemeinen die Leitfähigkeit, da die äußere Elektronenschale zusammenbricht und Elektronen freisetzt. Bridgman entdeckte jedoch bei der Untersuchung des elektrischen Widerstands ein Widerstandsminimum bei einigen Metallen.Weit reichende FolgewirkungenAuch wenn Bridgman die künstliche Herstellung von Diamanten nicht gelang, so ist die 1955 erstmals erfolgte synthetische Herstellung von Diamanten ohne seine Forschungen kaum denkbar. Auch auf andere Wissenschaften wie beispielsweise die Geologie hatten seine Arbeiten weit gehende Auswirkungen. Bridgmans alleinige Auszeichnung mit dem Nobelpreis war 1946 allerdings durchaus umstritten. Damals waren auch die auf dem Gebiet der Atomphysik arbeitenden Deutschen Lise Meitner und Otto Frisch als Kandidaten benannt. Ihre Nichtberücksichtigung wird einem heute als zweifelhaft erscheinenden Gutachten zugeschrieben.U. Schulte
Universal-Lexikon. 2012.